Einführung der Ausstellung Mensch.Macht.Milch, Trier, 15. September 2013

Ich kann mich noch gut an das Bild erinnern, als Bauern und Bäuerinnen Milch auf ihre Felder schütteten. Eine Aktion aus Protest gegen einen Milchpreis, der nicht mal die Kosten deckt.

Dieses emotional so aufrüttelnde Bild hat sich in unser Gedächtnis eingegraben.

Es bringt zweierlei zum Ausdruck:
1. Die totale Verzweiflung.
Schließlich baut niemand ein Haus um es nach Fertigstellung mit der Abrissbirne einzureißen. Und niemand kocht zu Hause ein tolles Essen um es kurz vor dem Servieren weg zu werfen.

Aber dieses Bild bringt zum 2. auch noch etwas anderes zum Ausdruck: Die Bereitschaft etwas zu ändern und mit den bisher gültigen Konventionen zu brechen. In dieser unlogischen Handlung, das Produkt seiner Hände Arbeit zu zerstören, liegt auch etwas Logisches. Der Aufbruch zu einer neuen, zu einer ANDEREN Logik.
Dieses Bild bringt auch die Hoffnung auf ein besseres Morgen zum Ausdruck.

Und genau dies, die Hoffnung auf ein besseres Morgen,  ist auch die Grundlage der Ausstellung „Mensch.Macht.Milch“ Sie portraitiert Milchbauern hier und in der so genannten 3.Welt. Milchbauern- und bäuerinnen (das ist auch neu in dieser Debatte) in Frankreich, BRD und in Burkina Faso.

Sie berichtet von ihren Hoffnungen, Sorgen, Nöten und gibt Anregungen für ein solidarisches Miteinander.

Milch ist, wie andere Produkte auch, eine internationale Angelegenheit.
Haben sie sich schon mal gefragt, wo denn deutsche Kühe weiden. Sie sehen sie hier um Trier herum auf Weiden stehen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.

„Deutsche Kühe weiden in Paraguay und scheißen auf die Bauern im Senegal.“

Wie das:
In Paraguay wurde die Landwirtschaft komplett auf Soja ausgerichtet:

  • Kilometerlange Sojafelder
  • 4-6 mal pro Vegetationspreriode wird das Totalherbizid Round up auf die Felder  gebracht
  • Enteignung von Bauern und Bäuerinnen
  • Wer nicht pariert und sich nicht dem nationalen Diktat von Glück, Fortschritt, Zukunft opfert, wird enteignet, vertrieben oder auch erschossen. Kolateralschäden eben. Man kennt diese zynischen Begriffsmonster.

Auch mit Soja wird immer mehr Milch in Deutschland und in Europa erzeugt.
Die mit dem Soja aus Paraguay erzielte und politisch gewollte Überproduktion führt dazu, dass
1. Bauern und Bäuerinnen hier sprichwörtlich „über die Wupper“ gehen, weil sie einen Milchpreis erhalten, der zwar nicht meilenweit aber doch viele Cent von den realen Kosten von rund 50ct/pro Liter entfernt ist

Und dass 2. Bauern und Bäuerinnen im Senegal ihre Höfe aufgeben müssen, weil sie mit dem billigen Milchpulver und der Kondensmilch aus Europa nicht konkurrieren können.

Das Pulver und die Kondensmilch kommt im Übrigen im hohen Maß von den beiden rheinland-pfälzischen Molkereien. Aber mit Rheinland-Pfalz hat das wenig zu tun. Die Hochwald ist ein Global Player, ebenso wie die ehemalige Molkerei Muh, die in der Zwischenzeit zum dänischen Molkereiriesen Arla Food gehört.
Drei Länder, drei unterschiedliche Entwicklungsniveaus – aber überall sind Bauern und Bäuerinnen die Gelackmeierten.

Und zu dieser Misere haben Milchbauern und –bäuerinnen Alternativen entwickelt:
Die Misere ist dadurch gekennzeichnet, dass Bauern keinen Zugriff auf ihr Produkt haben. Sie sind im doppelten Sinne des Wortes billige Rohstofflieferanten. An der Wertschöpfung ihres Produktes verdienen andere.
Sie wollen also Zugriff auf ihr Produkt bekommen und die MILCH-MENGE BÜNDELN. So wie eine Gewerkschaft Arbeitnehmer bündelt und niemand allein Tarife aushandelt. 

Sie haben bei diesem Prozess etwas Entscheidendes getan, das man gar nicht hoch genug bewerten kann. Auch die heutige Veranstaltung ist Ausdruck davon: Milchbauern und Milchbäuerinnen in Deutschland und anderen europäischen Ländern haben begonnen, sich IN DIE GESELLSCHAFT HINEIN zu öffnen. Denn Landwirtschaft geht alle etwas an.
Stellen sie sich kurz vor, wie Agrarpolitik jahrzehntelang statt gefunden hat:

  • in kleinen abgeschotteten Expertenrunden
  • demonstrierende Bauern die immer mehr Subventionen fordern.

Und jetzt kommen Milchbauern, die sagen: S T O P P
Weg mit den Expertenrunden: Landwirtschaft geht alle etwas an.
Und, jetzt halten sie sich fest, die sagen auch noch:
Wir wollen nicht mehr Subventionen, wir wollen gerechtere Preise.

Diese beiden Punkte sind nichts anderes als ein Paradigmenwechsel in der Agrarpolitik. 
Und wir wären geradezu mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir dieses Angebot – Agrarpolitik mit zu gestalten, die 3.Welt dabei im Blick zu haben – wenn wir dieses Angebot nicht nutzen würden.

Natürlich gibt es starke Gegenkräfte: Genau die, die davon profitiert haben, und davon profitieren Bauern in Paraguay, in Deutschland und im Senegal „über die Wupper“ zu schicken, die wollen, dass es so bleibt.  Natürlich sind die Kräfte des alten Systems nicht erfreut darüber, wenn sich Bauern im Projekt ERNA goes fair der Aktion 3.Welt Saar mit Gewerkschaften kurz schließen und viele, viele Gemeinsamkeiten entdecken. Nachdem man ihnen jahrelang gesagt hat, Zivilgesellschaft, Gewerkschaften etc. – das ist alles nix. Mach du Landwirt deine Arbeit, bleibe auf deinem Hof – wir richten das schon für dich.

Auch die gemeinsame Flugschrift „Milch billiger als Wasser“ von Milchbauern und der Aktion 3.Welt Saar bringt diese Richtungsänderung zum Ausdruck. Wann jemals zuvor, haben Milchbauern in Deutschland mit einer Organisation, die die internationale Politik und Menschen in der 3.Welt im Blick hat, in der Form kooperiert und gemeinsame Positionen formuliert.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen:
Es gibt fünf Veranstalterinnen dieser Ausstellung in Trier, die als Team genau diesen Paradigmenwechsel zum Ausdruck bringt: vhs Trier, BDM RLP, AbL RLP, AGF Trier, A3WS.

Und dabei – ich erlaube mir dies im Namen aller Veranstalterinnen zu sagen – geht es nicht darum, das Bild hochzuhalten von Bauern , die morgens um 5 Uhr aufstehen, fröhlich gelaunt, mit Hacke und Spaten auf die Felder ziehen und mit jedem Regenwurm per Du sind.
Ich hatte vor kurzem in einem Interview gesagt „Landwirtschaft 2013 heißt auch Melkroboter“. So wie jeder und jede von uns die Technik des Jahres 2013 nutzt – Handy, Autos etc. –  So machen es auch die Bauern und das ist gut so.
Und wenn wir all dies beherzigen, dann haben wir einen gewaltigen Schritt hin zum Ende des Hungers in der Welt getan. Nahrung gibt es für alle genug. Das Problem ist die Verteilung. Die Milchbauern und -Bäuerinnen gehen einen ersten Schritt, nehmen Sie die Einladung an und gehen Sie mit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Gertrud Selzer, Aktion 3.Welt Saar