Irgendwas mit Islamunterricht: Zwischen Aufklärung und Indoktrination


Vortrag mit Dr. Abdel-Hakim Ourghi – Islamischer Religionspädagoge

Eintritt frei – um eine Spende wird gebeten

Der aus Algerien stammende Dr. Abdel Hakim Ourghi (geb.1968) ist Leiter des Fachbereichs Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg</link>. Er ist Muslim, hat u.a. eine Studie zum islamischen Religionsunterricht in Hessen erarbeitet und  kommt zu einem kritischen Gesamturteil. Aus seiner Sicht haben konservative Islamverbände, zum Beispiel Ditib, zu viel Einfluss. Ditib ist der größte Islamverband Deutschlands und untersteht finanziell und politisch der direkten Kontrolle der Religionsbehörde in Ankara.

Ourghi ist dafür, dass im Islamunterricht, der historische Entstehungskontext des Koran und der Sunna, der Überlieferung über das Leben Mohammeds, gelehrt wird. Koranverse, aus denen eine Ungleichheit der Geschlechter abgelesen werden kann, müssen angesprochen und kritisch hinterfragt werden. Ziel darf nicht die Unterwerfung unter Dogmen und Vermittlung von Glaubenswahrheiten sein, sondern deren kritische Reflexion. Ourghi hält es für unerlässlich, dass Schüler lernen, sich mit ihrer Herkunftsreligion kritisch auseinanderzusetzen und ein reflektiertes, Islamverständnis zu entwickeln, das mit den Menschenrechten vereinbar ist. Er ist Mitinitiator der Freiburger Deklaration (2016) säkularer Muslime, zu deren Unterstützern die Aktion 3.Welt Saar zählt.

Die Veranstaltung wurde vom Kompetenzzentrum Islamismus der Aktion 3.Welt Saar konzipiert. Dieses recherchiert und publiziert zu mit dem Islam begründeten Verletzungen der Menschenrechte, organisiert Fachveranstaltungen, vermittelt ReferentInnen und erstellt Expertisen wie das „Kriterienpapier für Islamgespräche und für Islamunterricht“.

Moderation: Michael Scherer, Aktion 3.Welt Saar e.V.

Freitag, 25. November 2016,
19 Uhr, Saarbrücken
Kultusministerium, Trierer Str. 33
Gr. Saal EG, Nähe Bahnhof, Alte Post

Flyer zur Veranstaltung "Irgendwas mit Islamunterricht: Zwischen Aufklärung und Indoktrination" (PDF)

Mit finanzieller Unterstützung unserer Mitglieder und des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Saarland

Die Durchführung dieser Veranstaltung wurde mit unterstützt von der Regionalpromotorenstelle Saar-West, die bei der Aktion 3.Welt Saar angesiedelt ist.

Bildergalerie "Irgendwas mit Islamunterricht Zwischen Aufklärung und Indoktrination"

Reaktionen auf die Veranstaltung

Islamverbände machen mobil gegen Aktion 3.Welt Saar e.V. Sie fordern Sozial- und Kultusministerium zur Distanzierung auf. Hintergrund ist die Veranstaltung mit dem liberalen Muslim Dr.Abdel-Hakim Ourghi, islamischer Religionspädagoge von der PH Freiburg.

"Islamverbände sauer auf Saar-Ministerien: Kritik an Unterstützung für Vortrag eines Islamwissenschaftlers in Saarbrücken"  (PDF) Saarbrücker Zeitung, 20. Dezember 2016.

Vorausgegangen war der Artikel "Aufregung um angebliche Hassrede in Saarbrücker Moschee" am 13. August 2016 in der Saarbrücker Zeitung (siehe auch "Hasspredigt in Saarbrücker Moschee").

Transkription des Diskussionsbeitrags von Manfred Petry

Manfred Petry ist Mitglied im Vorstand der Islamischen Gemeinde Saarland.

Mein Name ist Manfred Petry. Ich bin im Vorstand der Islamischen Gemeinde Saarland. Wir sind die Vertretung des Saarlandes im Zentralrat der Muslime. In weiten Teilen von Ihrem Vortrag habe ich mir die Frage gestellt, in welchem Land (?) haben Sie dies recherchiert. Sie reden von einem aufgeklärten Islam. Was verstehen Sie darunter? Das kam so nebulös rüber. Der Koran und die Sunna reflektieren im Prinzip die Zeit vor 1400 Jahren. Und ich weiß nicht wo Sie die Überlegung hernehmen, dass das anders von uns dargestellt wird, als durch vernünftige Analogieschlüsse. Man kann das nicht Leben, wie es vor 1400 Jahren war und es wird durch Analogieschlüsse in die heutige Zeit übertragen. Das ist der vernünftige Weg. Und genauso die Unterstellung hier, dass Muslime sich nicht an die bestehenden Gesetze halten. Sie kennen die anafitische Rechtsschule und auch die Darstellung, dass Muslime in einem nicht-islamischen Land die dortigen Gesetze respektieren müssen. Insofern gibt’s auch keine Diskussion darüber, ob der Zentralrat oder DITIB die Gesetze nur pro forma anerkennen. Es ist schlicht und einfach eine islamische Pflicht. Und der letzte  Punkt... arabisch-türkischer Islam. Ich seh’ das hier bei uns überhaupt nicht. Wir arbeiten sehr eng zusammen und auch sehr vertrauensvoll zusammen. Was mich jetzt ein bisschen gestört hat war ihre letzte Aussage über die Sure vier, über Schlagen. Sie wissen ganz genau, dass das ein symbolisches Schlagen ist und dass der Koranvers sagt - ich bin jetzt dran und nicht Sie - Sie wissen genau, dass das ein symbolisches Schlagen ist und Sie wissen auch ganz genau, dass es in Hadithen dargestellt wird, wo Aisha gesagt hat der Prophet hat nie eine seiner Frauen geschlagen und das relativiert er sowieso und somit ist Schlagen absolut tabu.

Transkription des Diskussionsbeitrags von Christine Streichert-Clivot

Statement von Christine Streichert-Clivot. Sie ist die Leiterin von Referat B1 Bildungspolitische Grundsatzangelegenheiten I: KMK und JFMK, Inklusion, Begabungsförderung im saarländischen Ministerium für Bildung und Kultur.

Also es freut mich sehr, dass wir als Vertreterinnen des Ministeriums auch nochmal in die Diskussion eingebunden werden. Es brannte mir an verschiedenen Stellen auch unter den Fingernägeln, weil ich mir gewünscht hätte, dass tatsächlich die Diskussion stärker in die Richtung "was machen wir eigentlich in diesem Unterricht/wie ist das organisiert?" [gegangen wäre]. Es ist klar, Sie sind jetzt kein Experte für saarländische Schulen und können daher auch nicht beurteilen oder auch bewerten, wie das derzeit organisiert wird. Wie ich das eingangs schon gesagt habe - es ist ein Modellversuch. Und ich würde auch stark trennen in der Frage (das nehme ich jetzt aus dieser Diskussion auch mit): der Vertretungsanspruch, das haben Sie ja auch sehr deutlich gesagt. Die Frage: "wer vertritt eigentlich die Muslime in Deutschland, welche Organisation ist das?". Das ist sicherlich eine Frage, die von der Religion oder den Anhängern der Religion, den Mitgliedern geregelt werden muss, denke ich. Da diese Frage nicht eindeutig geklärt ist, ist es natürlich auch für uns - und da komme ich auf die Frage der Bewertung zurück - wir arbeiten derzeit mit überwiegend konservativen Verbänden zusammen - die auch kritisch reflektiert wurde in einer früheren Frage zusammen. Wir haben von Anfang an die Zusammenarbeit in als wir uns mit der Frage beschäftigt haben, wir führen hier einen islamischen Religionsunterricht ein, nicht begrenzt auf bestimmte Verbände. Aber natürlich ist es so, dass diejenigen, die hier im Saarland organisiert sind, wir sprechen natürlich die saarländischen Musliminnen und Muslime und die dort vertretenen Organisationen an, dann ist es de facto so, so ist jedenfalls unser Wissens- und Kenntnisstand, dass es die Organisationen sind, die eben jetzt auch in der Arbeitsgruppe Mitglied sind, die offensichtlich organisiert sind und bereit sind, sich in diesem Thema einzubringen. Das mal zum Ersten. Das heißt, wenn es darüber hinaus - und natürlich gibt es dort auch eine Kooperationsvereinbarung und eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit - wenn es darüber hinaus zukünftig weitere Organisationen gibt, die sich diesem Thema widmen, dann sehe ich als Ministerium erstmal keinen Grund, zu sagen, wir sperren uns einer weiteren Kooperation. Das zum Einen.

Mir ist wichtig, auch noch zu sagen, dass, eben war auch von der Lehrbefähigung die Rede, es nunmal so ist, und das ist ja auch in dem Vortrag deutlich geworden: wir haben derzeit keine Lehrkräfte, ausgebildete Lehrkräfte, die einen islamischen Religionsunterricht halten können, weil schlicht die Hochschulen gerade erst dabei sind, diese Lehrkräfte auszubilden. Das heißt, wir haben verschiedene Möglichkeiten, Lehrkräfte zu finden, die diesen Unterricht halten wollen. Das sind zum Einen Lehrkräfte, die bereits in unserem System drin sind und Mitglieder oder Anhänger dieser Religion sind, oder eben Quereinsteiger, d.h. Menschen, die sich zutrauen, diesen Unterricht durchzuführen. Und die dann eben flankiert von pädagogischen Fortbildungsmaßnahmen, die wir selbstverständlich organisieren. Wir haben eine ganze Fortbildungsreihe, auch Qualifizierungsreihe aufgesetzt, um das umzusetzen. Wir haben derzeit zwei Lehrkräfte, die diesen Unterricht durchführen. Eine männliche und eine weibliche Lehrkraft. Die weibliche Lehrkraft trägt Kein?? Kopftuch. Auch das war eine Diskussion, auch das gehört zur Wahrheit dazu, es ist sehr kontrovers diskutiert worden. Und das ist auch, finde ich - ich kenne jetzt die organisatorische Begleitung in den anderen Bundesländern nicht so wie Sie das kennen - aber mein Eindruck ist, dass wir durch diese Arbeitsgruppe auch eine sehr gute Gruppe haben, die sehr genau schaut, was in diesem Unterricht gemacht wird. Das heißt, auch die Durchführung des Unterrichts wird in Abständen von Schulaufsichtspersonal aus den Grundschulen besucht. Und man schaut sich tatsächlich auch an, was und vor allem wie unterrichtet wird. Die Rückmeldungen, die wir haben, sind positiv. Die Frage der Evaluation spielt für uns auf jeden Fall eine Rolle. Also erstmal wird regelmäßig in der Arbeitsgruppe reflektiert, das zum Einen. Und ich finde, wenn man zwei Durchgänge oder Schuljahre hat, dann ist die Frage "wir können wir das evaluieren" berechtigt. Es gibt ja auch z.B. die Frage "welche Schülerinnen und Schüler nehmen daran teil?". Es ist kein Zwang, teilzunehmen. Ich kann Ihnen gern nochmal die Zahlen nennen, die wir aktuell in diesem Schuljahr an den vier Standorten haben. In Völklingen Haydnstraße haben wir 9 von 12 muslimischen Kindern, die an dem Unterricht teilnehmen. In Bergstraße sind es 17 von 28, in Saarbrücken Kirchberg 23 von 35. Im Füllengarten erreichen wir die 100 Prozent, also da sind es 14 von 14 muslimischen Kindern, die am Unterricht teilnehmen.  Das heißt, es ist sehr unterschiedlich, wie die Teilnahmequote ist. Ich finde, es gehört zur Freiheit einer Familie dazu - in der Grundschule entscheiden das glaube ich selten die Kinder selbst, ob sie in diesen Unterricht wollen oder nicht. In aufgeklärten Familien möglicherweise. Doch wir alle wissen - das gleiche gilt im übrigen für den evangelischen und katholischen Unterricht, glaube ich sagen zu dürfen - dass heißt, der Frage auch nachzugehen, warum bestimmte Kinder nicht teilnehmen, das ist eine Frage die sehr stark ins Private der Familie hineingeht. Wenn man so etwas in einer Evaluation herausfinden will, bin ich mir auch nicht sicher, ob man immer auch die Antworten erhält, die tatsächlich der Grund dafür sind. Also wir haben das sehr genau im Blick. Es geht ja an dieser Stelle auch um die Frage einer Ausweitung des Modellversuchs auf weitere Schulen. Solange wir - und das ist eben auch ein großer Kraftakt - die Lehrkräfte noch nicht haben (wir gehen davon aus, dass wir ab 2020 auf diese Lehrkräfte zurückgreifen können und dann wird es für uns als Ministerium auch ein gutes Stück leichter diesen Unterricht durchzuführen) ist es sehr aufwändig und mitunter mühsam entsprechend Leute zu finden, die auch bereit sind, diesen Unterricht durchzuführen. Wir geben aber den Kampf nicht auf. Es ist quasi auch eine regelmäßige Anstrengung von uns, Menschen davon zu überzeugen, diesen Unterricht zu machen.

Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Aber ich denke, die Tatsache, dass wir das anbieten - und da bin ich wieder an Ihrem Punkt - Religionsunterricht in einer Moschee oder Religionsunterricht in einer Schule - ich finde schon, dass wir mit einem Religionsunterricht an einer Schule - und das freut mich, dass die Aktion 3. Welt das nicht hinterfragt oder nicht kritisiert als solches - sehr nah an dem Unterricht ist und auch sehr genau sehen kann, was da passiert. Und ich kann für den "IRO" - so nennen wir ihn hier im Saarland - nur sagen, er ist sehr stark kontextorientiert. Also auch das, was Sie gesagt haben - Anwendung der Religion im Kontext - ich denke gerade bei der Altersgruppe Grundschulkinder ist das auch wesentlich, so etwas zu tun.

 

„Irgendwas mit Islamunterricht: Zwischen Aufklärung und Indoktrination” ist die 9. Veranstaltung in der „Irgendwas mit…” Reihe der Aktion 3.Welt Saar.

Warum überhaupt die Reihe „Irgendwas mit ……“?

Wer Veranstaltungen organisiert, kennt das Problem: Man möchte einen Vortrag, Workshop, Event ... machen zu einem Thema X. Auf die klugscheißerische Frage “Und wie sollen wir das Teil denn nun nennen?” fällt einem nur ein: “Na ja, “Irgendwas mit XY” halt.” Genau so ging es uns. Und jetzt haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und die “Irgendwas mit ....” Reihe aus der Taufe gehoben. Es ist die vierte Veranstaltung in dieser Reihe. Wir erlauben uns den Luxus, uns mit diesem leicht ironisierenden Unterton selbst etwas auf die Schippe zu nehmen. Das Publikum ist eingeladen, zu prüfen ob es gelingt, die goldene Mitte zwischen ernst & völlig abgedreht zu finden.

Bisher gab es 8x “Irgendwas mit …”

26. April 2015, “Irgendwas mit Politik – Warum Runde Tische nix taugen und online-Petitionen für die Katz sind”, mit Elke Wittich

3. Juni 2015: „Irgendwas mit Verschwörung- Wie obskure Theorien den Kopf entlasten“ mit Jörg Bergstedt

5. Oktober 2015 „Irgendwas mit Afrika – Afrikanische Visionäre im Portrait“ mit Dr. Moustapha Diallo

11. Februar 2016 "Irgendwas mit Islam - Muslimischer Antisemitismus und Gegenstrategien" mit Ahmad Mansour

21. April 2016: Irgendwas mit Fußball - „Ich pfeife – aus dem Leben eines Amateurschiedsrichters“ Lesung mit Christoph Schröder

12. Mai 2016: Irgendwas mit NS Erinnerung – Film: „Triumph des guten Willens“. Ein politisches Portrait über Eike Geisel

3.Juni 2016: Irgendwas mit Entwicklungshilfe - Film "Süßes Gift" Diskussion mit Regisseur Peter Heller

19. September 2016: Irgendwas mit Frauen & Autos -Film "Ayanda" Diskussion mit Regisseurin Sara Blecher, Südafrika

Weitere Themen sind in Vorbereitung.