Benefizveranstaltung für kurdische Flüchtlinge

An der Benefizveranstaltung für Kobanê und Shingal am 13. Dezember 2014 in der Messehalle Saarbrücken nahmen 3.000 Menschen teil. Es redeten u.a. Eugen Roth (DGB), Charlotte Britz (OB), Zuhat Kobani (Vorsitzender PYD in Kobane) und Roland Röder (Saarländischer Flüchtlingsrat, SFR). Er vertritt die Aktion 3.Welt Saar im Vorstand des Saarländischen Flüchtlingsrat.

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Anbei die Rede von Roland Röder. Es gilt das gesprochene Wort.

FREIHEIT ODER BARBAREI

Liebe Freunde und FreundInnen,

der Saarländische Flüchtlingsrat ist eine politische Lobby-Organisation für Flüchtlinge. Ich arbeite für die Aktion 3.Welt Saar im Vorstand des Flüchtlingsrates mit.
Wir setzen uns für die Schließung des Flüchtlingslagers Lebach und ein Ende der Lebensmittelpakete ein. Und wir benennen die politischen Gründe, warum Menschen fliehen. Denn kein Mensch flieht freiwillig. Auch nicht aus Kobane

Die Bilder von Kobane gingen um die Welt.
Sie sind in unseren Köpfen und in unseren Herzen.


Es sind Bilder eines verzweifelten Kampfes –
Eines Kampfes für die Freiheit und gegen die Barbarei.

Ich möchte zu allererst denen meinen tief empfundenen Dank aussprechen,
die in Kobane auf Seiten der Freiheit kämpfen gegen die faschistischen Banden des IS

Wenn ich das, was der IS will, beschreiben soll,
finde ich kein anderes Wort dafür als Faschismus.

Dabei wäre es falsch so zu tun, als seien dies nur durch geknallte Wirrköpfe, die nicht wissen, was sie tun. Der IS hat klare Vorstellungen davon, welche Gesellschaft er will
und wer das Recht hat, in dieser Gesellschaft zu leben und wer dieses Recht nicht hat.

WAS MACHT DIE ÜBERLEGENHEIT DES IS AUS ?

Nein, es ist nicht das viele Geld.
Nein, es sind nicht die vielen guten Waffen. Nicht nur.
Es gibt in der Geschichte eine traurige Parallele. Als eine Handvoll Spanier ab 1492 Südamerika eroberten, hatten sie
viel Geld (Gold vor allem)
eine überlegene Technik (Gewehre und Schießpulver)
Aber sie hatten noch etwas anderes, was sie den Einheimnischen überlegen machte: Es war ihre innere Einstellung. Sie waren bereit über Leichen zu gehen. Das Leben galt ihnen nichts. Nur damit ist diese Eroberung erklärbar. Ähnlich verhält es sich beim IS.

“DER UMGANG MIT KOBANÊ - MIT DEM KAMPF DER FREIHEIT GEGEN DIE BARBAREI - TREIBT IN DEUTSCHLAND DIE SELTSAMSTEN BLÜTEN“
Es gibt Menschen und Parteien, die können stundenlang über Nordsyrien reden
, ohne ein einziges Mal zu sagen, wer denn diesen Kampf auf Seiten der Freiheit führt: PKK, PYD. So als wäre PKK ein verbotenes Wort und als würde die Gedankenpolizei einen strafen, wenn man es ausspricht – PKK.

Es gibt Menschen in Deutschland, die sich mit großer Geste zu diesem Konflikt äußern und sogar Waffenlieferungen für die Kurden fordern. Aber eben nur für die so genannten „guten“ Kurden im Nordirak. Die „bösen“ Kurden, also die PKK, werden dabei nicht erwähnt. Dabei braucht man nur Yesiden zu fragen, wer es denn war, der ihre Leute im August aus der brütenden Hitze im Sindschar Gebirge befreit hat, wohin sie vor dem IS geflohen waren. Wer es denn war, der den Korridor dorthin aufgebaut hat und wer es denn war, der die völlig entkräfteten Yesiden zum Teil auf Händen herunter in die Ebene gebracht hat. Ich kenne keinen Yesiden, der nicht Klartext redet: ja es war die PKK, die diese große humanitäre Tat vollbracht hat und Tausende Yesiden vor den Mörderbanden des IS gerettet hat.

Es gibt Menschen in Deutschland die neutral bleiben wollen. Sie sagen, sie wollen kurdischen Flüchtlingen helfen, aber sich politisch nicht festlegen. Sie erzählen uns, dass in Kobane ja beide Seiten mit Waffen kämpfen und dass sie dies nicht tolerieren können. Ja, das ist richtig: In Kobane kämpfen beide Seiten mit Waffen. Aber wie betrunken, wie zugekifft und zugeturnt muss man denn sein, um darüber hinweg zu sehen, wer auf Seiten der Freiheit kämpft und wer die Barbarei will. Der Aufruf zur politikfreien Hilfe für Kobane ist wie die Annahme man könne Fußball spielen, ohne jemals zu trainieren. Es gibt keine neutrale Hilfe. Hilfe ist immer eine Einmischung.

Ich fordere diejenigen auf, die so denken: Bezieht endlich Position. Position für die Seite der Freiheit. Was denn sonst.

All diese komischen Dinge –
-ich will helfen, aber nicht politisch sein /
-ich will über Kobane reden aber die PKK nicht erwähnen
haben einen Grund: Das PKK Verbot.

"DAS PKK VERBOT WAR NIE ABSTRAKT, SONDERN IMMER KONKRET."

Es wurde im Nov. 1993 auf Zuruf der Türkei ausgesprochen
Und hat bis heute katastrophale Auswirkungen.

Das PKK Verbot hat sich schwer wie Blei auf alle Diskussionen zur kurdischen Frage gelegt. Es erklärte schlagartig 500.000 Kurden in Deutschland zu Bürgern 2. Klasse.

All diese alltäglichen Demütigungen,
all die Zehntausende Gerichtsverfahren
all die Gefängnisstrafen
all die täglichen Ängste, die in die Familien hineinreichen
All dies ist schwierig zu vermitteln.
Auch heute sind viele unter uns, die im November 1993 noch nicht auf der Welt waren. Damals wurde das PKK Verbot ausgesprochen.

Man muss es übersetzen.

Einige von Euch können sich noch an den 29. Mai 1994 erinnern.
Tatort Saarbrücken, Alte Feuerwache.
Früh am Samstagmorgen stürmt eine GSG 9 Einheit – das ist eine deutsche Antiterroreinheit – die Feuerwache. Vermummt natürlich. Die Aktion richtet sich gegen eine Versammlung des damaligen kurdischen Kulturvereins. Alle anwesenden Kurden und Kurdinnen werden auf den Boden geworfen. Auf Ihnen – auf Euch – knieten vermummte deutsche Polizisten.
Und weil man gerade dabei ist, werden auch noch über 40 andere Menschen in der Alten Feuerwache festgenommen, weil sie irgendwie kurdisch aussehen.
Die Proteste gegen diesen Überfall dauern bis spät in die Nacht an. Es dauerte lange bis die letzten Kurden und Kurdinnen aus der Polizeikaserne in der Mainzer Straße frei gelassen wurden.

Oder:
Wenige Tage später, am 1. Juli 1994, wird in Hannover der 16 Jahre alte kurdische Jugendliche Halim Dener von hinten erschossen. Erschossen von einem deutschen Polizisten. Halim Dener wäre heute unter uns und 36 Jahre alt. Vielleicht hätte er Familie, Kinder. Daraus wurde nichts. In der Nacht des 1. Juli 1994 klebte er Plakate der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK . Er war allein unterwegs, unbewaffnet
Aber damit nicht genug. Der staatliche Hass auf Kurden ging so weit, dass man selbst die Trauerfeier für ihn in Hannover verbot. Sie fand trotzdem statt, im niederländischen Maastricht; auf einer Trabrennbahn.

Oder
Als im Mai 1995 Nelson Mandela zum Staatspräsidenten von Südafrika vereidigt wurde, fand bei mir eine Hausdurchsuchung statt, wegen Unterstützung der PKK. Ich sollte an Autobahnblockaden in Deutschland beteiligt gewesen sein. Dass dies eine politische Lüge war, interessierte nicht. Zeitgleich war ich aber in der Türkei. Es ging auch nicht darum, mir konkret etwas nachzuweisen. Die Hausdurchsuchung hatte das Ziel, Angst zu verbreiten, bei mir, bei meiner Familie, bei meinen politischen Freunden. Wer Angst hat, ist still und duckt sich weg.
Apropos Nelson Mandela: Der ANC und Nelson Mandela galten ähnlich wie die PKK und Abdullah Öcalan jahrzehntelang als Terroristen. Und dann haben sie gewonnen.

Oder:
Ich habe in den letzten Jahren immer wieder von Kurden und Kurdinnen – auch hier in Saarbrücken - mitbekommen, dass sie Probleme haben
ein Konto zu eröffnen
die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen
dass sie vor Gericht müssen aus politischen Gründen
dass sie hohe Geldstrafen bekommen aus politischen Gründen
dass sie ins Gefängnis müssen aus politischen Gründen
Alles wegen dem PKK Verbot.

Das Verbot erfindet sich ständig neu und greift tief in den Alltag ein.

Das PKK Verbot war nie abstrakt, sondern immer konkret.

WAS KÖNNEN WIR HEUTE KONKRET UND DIREKT TUN ?
1. Wir müssen Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak großzügig aufnehmen. Sie haben Solidarität verdient.
2. Das PKK Verbot, das so viele unter einen Teppich der Angst zwingt, muss weg. Besser jetzt als gleich.

EIN ASPIRIN SO GROSS WIE DIE SONNE

Lasst mich schließen, mit den Worten eines Schriftstellers, der auch Guerilla-Kämpfer war und der leider 1975 bei den Kämpfen in El Salvador ermordet wurde. Er wurde von seinen eigenen – damaligen – Genossen ermordet. Es handelt sich um Roque Dalton. Er hat uns Zurückgebliebenen etwas mit auf den Weg gegeben, das ich nicht besser, schöner und pathetischer sagen könnte.
„Der Sozialismus wird sein, ein Aspirin, so groß wie die Sonne.“
Darum geht es. Dorthin wollen wir.
„Der Sozialismus wird sein, ein Aspirin, so groß wie die Sonne.“

FREIHEIT ODER BARBAREI